Niemand steht über dem Völkerrecht. Niemand darf Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit ungesühnt begehen. Aus diesem Grund und aus der Erfahrung der Verbrechen Nazi-Deutschlands wurde der Internationale Strafgerichtshof (IStGH) gegründet. Jetzt hat der IStGH Haftbefehle gegen Israels Premierminister Benjamin Netanyahu und Yoav Gallant, den damaligen Verteidigungsminister Israels erlassen, ebenso wie gegen die Führung der Hamas.
Vor dem Hintergrund der deutschen Geschichte ist es zutiefst beunruhigend, dass Stimmen in Deutschland jetzt fordern, die Haftbefehle zu missachten. Das würde nicht nur internationales Recht brechen, denn Deutschland hat das Römische Statut des IStGH unterzeichnet. Es würde auch nationale Gesetze brechen. Besonders verstörend ist es, dass CDU-Kanzlerkandidat Friedrich Merz diesen Gesetzesbruch fordert. Beschämenderweise gehen einige Stimmen in Deutschland sogar noch weiter und sprechen dem IStGH jegliche Legitimität ab. Dazu gehört ein vor Unwissen triefender Kommentar von Alexander Will in der Nord-West Zeitung.
Der IStGH hat jedes Recht und die Verpflichtung, diese Haftbefehle zu erlassen, denn er ist für die Palästinenser-Gebiete zuständig. Das ist kein Ausdruck einer angeblich antisemitischen Verschwörung. Das ist die Folge der Verbrechen gegen die Menschlichkeit, die Israels Regierung und Armee begehen. Im Vorfeld des Verfahrens wurden von dem Chefankläger sechs renommierte Experten*innen um ihre Einschätzung gebeten. Sie sprachen sich für den Erlass eines Haftbefehls aus. Darunter war Theodor Meron. Dass diesem Überlebenden der Shoa und langjährigem Diplomaten Israels Antisemitismus vorgeworfen wird, offenbart die fehlgeleitete Debatte in Deutschland.
Niemand steht über dem Völkerrecht. Deshalb fordern wir, dass Deutschland sich zu seiner Verantwortung bekennt und Netanyahu und Gallant verhaftet, sollten diese deutschen Boden betreten. Gleiches gilt natürlich im unwahrscheinlichen Fall bei der Hamas-Führung.
Wir erwarten von der deutschen Bundesregierung, dass sie all ihre Möglichkeiten
ausschöpft, um einen sofortigen, bedingungslosen Waffenstillstand herbeizuführen. Dazu gehört es, Kriegsverbrechen und Menschenrechtsverletzungen aller Beteiligten klar zu benennen und zu verurteilen. Vertreter*innen der deutschen Bundesregierung haben sich im vergangenen Jahr entweder gar nicht oder mit zu wenig Nachdruck zu den Menschenrechtsverletzungen durch die israelische Armee geäußert. Es ist nachvollziehbar und richtig, dass in Deutschland eine hohe Solidarität mit und Unterstützung für Israel bestehen. Diese Solidarität mit der israelischen Bevölkerung sollen wir nicht aufgeben, sie ist aber nicht gleichbedeutend damit, die Handlungen einer teils rechtsextremen israelischen Regierung zu tolerieren oder zu rechtfertigen. Nur ein Waffenstillstand kann die Befreiung der Geiseln, die Sicherheit Israels und einen dauerhaften Frieden ermöglichen. Bis dahin muss Deutschland alle Lieferungen von Waffen und Dual-Use-Gütern an Israel stoppen, da nicht ausgeschlossen werden kann, dass Israel diese für seine Kriegsverbrechen einsetzt.
Unsere Solidarität gilt allen Opfern von Gewalt im Nahen Osten und allen Opfern von Antisemitismus und anti-muslimischem Rassismus.
Hintergrund:
Am 7. Oktober 2023 verübte die Terrororganisation Hamas ein brutales Massaker an der israelischen Zivilbevölkerung. Mehr als 200 Menschen wurden von der Hamas entführt, mehr als 1.200 Menschen getötet. Diesen Angriff verurteilen wir aufs Schärfste.
Als Reaktion auf den Angriff der Hamas führt die Israel seither Krieg im Gaza-Streifen. Dieser hat bereits 41.000 palästinensische und zahlreiche israelische Todesopfer gefordert. 100.000 Israelis mussten evakuiert werden und ein Großteil der palästinischen Bevölkerung musste bereits mehrfach innerhalb des Gaza-Streifens fliehen oder wurde vertrieben. Die humanitäre Lage in Gaza, die schon
vor der israelischen Offensive sehr schlecht war, kann heute als humanitäre Katastrophe bezeichnet werden. Wichtige Infrastruktur, wie Krankenhäuser, wurde größtenteils zerstört, es fehlt an Nahrungsmitteln und Trinkwasser und Millionen Menschen befinden sich ohne Schutz auf der Flucht.