Pressemitteilung
Nachdem der 21-Jährige Lorenz in der Oldenburger Innenstadt von einem Polizisten mit 4 Schüssen von hinten getötet wurde fordern wir mit der Grüne Jugend Niedersachsen jetzt Konsequenzen.
Einstimmig angenommen wurde am Sonntag den 04.05.2025 auf der Landesmitgliederversammlung in Uelzen unser Antrag, der lückenlose, unabhängige Aufklärung des Todes von Lorenz sowie Reformen der Polizeiarbeit in Niedersachsen fordert. Zudem gab es eine Schweigeminute in Gedenken an Lorenz.
Eingebracht wurde unser Antrag von Maik Niederstein aus Oldenburg. In seiner Rede erinnerte er an viele andere Fälle von Polizeigewalt und sagte: „Zu oft wurde beschwichtigt, zu oft Ermittlungen verschleppt, zu oft Vertrauen verspielt, zu oft gab es keine Konsequenzen! Unabhängig vom genauen Hergang der Nacht zu Ostersonntag sind Polizeireformen seit Jahren überfällig. Rot-Grün hat bisher zu wenig geliefert, auch weil Daniela Behrens blockiert.“
Für Fragen sind wir unter oldenburg@gj-nds.de zu erreichen.
Beschluss: Gerechtigkeit für Lorenz – Polizeireformen Jetzt!
Am frühen Ostersonntag wurde der 21-Jährige Lorenz in der Oldenburger Innenstadt von einem Polizisten mit drei Schüssen von hinten getötet. Wir sind erschüttert, dass ein Sohn dieser Stadt auf diese Weise sein Leben verloren hat. Viele Schwarze Menschen und People of Color sind ebenfalls schockiert, aber keinesfalls überrascht. Für sie sind Polizeigewalt und Rassismus trauriger Teil des Lebens in Deutschland. Wir wollen uns nicht daran gewöhnen, wir können das nicht hinnehmen!
Das Mindeste ist jetzt die lückenlose Aufklärung jener Nacht. Es fällt jedoch schwer, den Ermittlungen zu vertrauen. Sie werden geführt von der Polizeiinspektion aus der Nachbarstadt Delmenhorst. Man kennt sich, man geht zusammen auf Fortbildungen. Vor vier Jahren war es die Polizeiinspektion Oldenburg, die gegen die Delmenhorster Kollegen ermittelte, nachdem dort der 19-Jährige Qosay Khalaf in Polizeigewahrsam kollabierte und starb. Die Ermittlungen wurden ohne Anklage eingestellt.
Dem Vertrauen schadet außerdem, dass die Bodycams der Oldenburger Polizist*innen ausgeschaltet waren. Wie praktisch, dass diese Kameras scheinbar immer laufen, wenn Polizist*innen angegangen werden, aber nie, wenn Polizeigewalt aufgeklärt werden muss.
Keine Ausreden mehr, Daniela Behrens!
Im Koalitionsvertrag steht: „Wir werden dafür sorgen, dass sich auch in Zukunft alle Menschen in Niedersachsen auf diesen Staat verlassen können.“ Gerade sehen wir, dass ein Teil der Bevölkerung sich verständlicherweise nicht mehr auf diesen Staat verlassen kann. Sie haben alles Recht dazu, diese Gefühle zu haben und wir dürfen sie ihnen nicht absprechen. Vielmehr ist es unsere Aufgabe dafür zu sorgen, dieses Vertrauen zurückzugewinnen. Wir dürfen nicht wegschauen und auch nicht von Einzelfällen reden. Was es jetzt braucht sind echte Konsequenzen, die wirklich für mehr Sicherheit sorgen. Hierbei sehen wir insbesondere Innenministerin Daniela Behrens in der Verantwortung, die in den letzten zwei Jahren viel zu wenig getan hat.
So tragisch und emotional aufgeheizt die Stimmung gerade auch ist, sollten Polizist*innen nicht in ihren täglichen Aufgaben beleidigt werden. So ein Verhalten spaltet nur und lenkt von strukturellen Reformen ab.
Diese braucht es seit Jahren dringend, unabhängig vom genauen Hergang in Oldenburg, der sich erst in den kommenden Wochen rekonstruieren lässt. Die Polizei hat eine besondere Stellung in der Gesellschaft, dieser Stellung muss sie gerecht werden. Neben konsequenter Entfernung rechter Uniformträger*innen aus dem Dienst braucht es endlich strukturelle Reformen!
Sofort-Maßnahmen umsetzen, Vertrauen schaffen
Sofort umsetzbar und längst überfällig sind folgende Maßnahmen in Niedersachsen, um einen Teil des verlorenen Vertrauens wiederherzustellen:
- Einführung einer*eines niedersächsischen Polizeibeauftragten, auch als Beschwerdestelle für Betroffene von Diskriminierung durch Polizist*innen. Diese*r muss mit umfassenden Kompetenzen wie in Rheinland-Pfalz ausgestattet werden. Das steht bereits im Koalitionsvertrag und darf jetzt nicht länger verzögert werden!
- Eine unabhängige Ermittlungsstelle, die gegen Polizist*innen ermittelt. Polizist*innen aus Nachbarorten kennen sich und decken sich im Zweifelsfall gegenseitig. Nur die Kontrolle von außen durch eine weisungsungebundene Taskforce nach dem Vorbild in skandinavischen Ländern kann Vertrauen schaffen.
- Alle Polizeieinheiten mit Bodycams ausstatten, die im Bereitschaftsbetrieb die letzten 30 Sekunden aufzeichnen. Die Bodycams müssen automatisch auslösen, wenn zum Beispiel das Holster geöffnet wird und angeschaltet werden, wenn Betroffene es verlangen. Nur so kann sichergestellt werden, dass auch in Stresssituationen die Aufnahme läuft. Auch das steht im Koalitionsvertrag und muss jetzt endlich umgesetzt werden!
- Lehren aus der Studie zu Rassismus in der Polizeipraxis von Astrid Jacobsen und Jens Bergmann ziehen! In der Studie wurden 12 Diskriminierungsrisiken ausgemacht, mit diesen müssen sich Polizei und Politik jetzt intensiv auseinandersetzen. Eine dringende Sofort-Maßnahme ist es, auf das falsche Konzept der sogenannten „Clankriminalität“ zu verzichten. Die Studie zeigt, dass das Konzept rassistisch ist und zu falschen Ermittlungsergebnissen führt.
Weitere Maßnahmen für mehr Sicherheit und Vertrauen
Darüber hinaus müssen folgende Maßnahmen innerhalb der nächsten 12 Monate begonnen und innerhalb von 2 Jahren abgeschlossen werden:
- Ein Ticketsystem für Kontrollen bei dem Ort, Zeit, Polizist*in und Anlass der Kontrolle festgehalten werden, um Racial Profiling zu erfassen und dagegen vorgehen zu können. Als Sofort-Maßnahme sollte eine Modellprojekt für ein Ticketsystem eingeleitet werden.
- Eine umfassende Polizeireform: Polizist*innen sollten viel stärker mit bspw. Sozialarbeiter*innen und Psycholog*innen zusammenarbeiten. Daneben muss die Supervision in der alltäglichen Polizeiarbeit gestärkt werden, nicht nur nach problematischen Einsätzen.
- Anonymisierte Kennzeichnungspflicht in geschlossenen Einsätzen, um Fälle von Polizeigewalt zuordnen zu können. Staatliches Handeln, auch problematisches, muss zugeordnet werden können!
- Streifen ohne Schusswaffen: Wie beispielsweise in Großbritannien üblich sollten nur noch spezialisierte Polizist*innen eine Schusswaffe führen. Viele Streifen brauchen diese nicht.
- Ausbildung an staatlichen Hochschulen statt an isolierten Akademien und stärkerer Fokus in der Ausbildung auf Deeskalation, Umgang mit psychischen Ausnahmesituationen und Sensibilisierung für Diskriminierung.
Alle diese Forderungen werden von zahlreichen Kriminolog*innen geteilt. Nur durch diese Maßnahmen kann Vertrauen in die Polizei zurückgewonnen werden. Nur so kann die traurige Reihe von Namen durchbrochen werden, die Opfer von Polizeigewalt geworden sind.